Weinkellerei Lagedere

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Kellereigebäude in Margreid

Abram & Schnabl & Unterhauser

Eine neue Weinkellerei im historischen Ensemble des Dorfes Margreid in Südtirol zeigt, wie ein ökologisch und funktionsgerechter Industriebetrieb harmonisch mit vorhandener, traditioneller Architektur verbunden werden kann und gleichzeitig repräsentativ wirkt, ohne daß herrschaftlichhistorisierende Elemente verwendet worden sind.

von Wilhelm Warning

Tief drinnen wird der Berg sichtbar. Ganz unten im Weinkeller stoßen die grauen Betonwände an den bräunlichen, gewachsenen Fels. Er steigt hier senkrecht empor. Seine schrundige Struktur bildet einen Kontrast zur glatten Wand. Das ist keine formale Spielerei. Die spannungsvolle Lösung sorgt vielmehr für eine natürliche Klimatisierung der Räume. Denn über einen Schacht, der die Bergwand flankiert, strömt Frischluft ein, die dann vier Geschosse tief nach unten fließt. Etwa 10° Celsius hält der Felsen konstant. Die an ihm vorbeistreichende Luft wärmt sich im Winter entsprechend auf, im Sommer kühlt sie sich ab. Ganz unten, in 15 Metern Tiefe, blasen drei Ventilatoren die temperierte Luft in den Keller ein, gegenüber, an der Nordseite, wird die Luft wieder abgesaugt. Der Bau nutzt also ohne großen Aufwand die Erdwärme zur nötigen Klimatisierung der unteren Räume des Weinkellers. Die Architektur macht das als gestalterischen Spannungsbezug im Inneren des Gebäudes sichtbar.
Die Lösung ist beispielhaft für das gesamte Baukonzept: In einem in vielfacher Hinsicht sensiblen Bereich ist eine Verbindung von Natur und Technik, die sich gegenseitig ergänzen, auf hohem ästhetischem Niveau geschaffen worden.

Das Dorf Margreid im Bozener Unterland trägt die charakteristischen mediterranen Züge der südlichen Gemeinden der Südtiroler Weinstraße. Kleine Schlößchen, kühle Höfe, alte repräsentative Steinhäuser mit offenen, hölzernen Vordächern, Freitreppen, Loggien und Erkern. Auch der Ansitz Löwengang in Margreid, Firmensitz der Weinkellerei Alois Lageder, gehört dazu. Das schloßartige Gutsgebäude aus dem 18. Jahrhundert umschließt mit einigen Nutzgebäuden und älteren Kelleranlagen einen gepflasterten Innenhof. Das Ensemble steht hart an einem Berg. der das Etschtal südöstlich begrenzt. In diese historisch gewachsene Situation mußte eine neue, leistungsstarke Weinkellerei, die höchsten technisch önologischen Ansprüchen genügt, integriert werden. Der Bauherr Alois Lageder und das Architekturbüro Abram & Schnabl & Unterhauser aus Bozen haben sich dazu entschieden, an dieser ausgesetzten Stelle weder einen spektakulären Solitär zu schaffen, noch sich historisierend der alten Bausubstanz anzupassen.

Entstanden ist ein nach außen hin zweigeschossiger Kubus, eigentlich ein Doppelbau, der, am Berghang gelegen, über mehrere Ebenen erreichbar ist. Etwa über eine Freitreppe als Aufgang für Besucher oder über eine 30 Meter lange Rampe, die hinaufführt zu einem mit Porphyr gepflasterten Platz. Der Porphyr ist ein einheimischer Stein, er wurde seit jeher als Baumaterial verwendet. Hier oben liefern die Bauern die Trauben an, die über einen Kran in Wannen abgeladen und dann tief im Inneren verarbeitet werden.

Überdeckt wird der Platz von einer offenen Sheddachkonstruktion, die auch über die flache Decke des südlichen Gebäudeteils reicht, so daß der Zwischenraum vom Wind durchweht werden kann. Fichtenbalken tragen das Dach. Den Sicherheitsnormen folgend mußte man zwar auf dicke Leimbinder zurückgreifen. Trotzdem wurde kein Stahl gewählt, aus ökologischen Gründen, aber auch, um Charakteristika der traditionellen Bauweise beizubehalten. Im typischen offenen Dachgestühl des Bozener Unterlandes, zum Beispiel im Ansitz Löwengang selber, werden noch heute Maiskolben getrocknet. Der nördliche Gebäudeteil der neuen Weinkellerei öffnet sich dagegen ohne Sheddach, dafür begrünt in die weite Ebene nach Bozen hin. Hohe Fenster lassen viel Licht, aber keine Sonne einfluten. Hier steigt das Dach nach der Außenseite hin sogar etwas an. Die dadurch erreichte optische Transparenz und Leichtigkeit erhöht sich noch durch ein diesen Gebäudeteil umlaufendes Glasvordach. Das macht sich auch innen bemerkbar, denn die Büroräume in der oberen Etage mit ihren Holztüren und Ziegelwänden sind optimal hell.

Die Benutzer kommen, auch im Winter, mit einem Minimum an Kunstlicht aus. Das ist Teil eines Energiesparkonzeptes, das beinahe überall im Bauwerk verwirklicht worden ist. Große Temperaturschwankungen, im Sommer bis zu 40° C Hitze, im Winter auch heftiger Frost, federn das Doppeldach über dem einen und das Grasdach über dem anderen Bauteil spürbar ab. Das begrünte Dach ist eine Holzkonstruktion mit doppelter Wärmedämmschicht. Hier, im Zentrum der Verwaltung, ist zusätzlich ein atriumartiger Wintergarten mit umliegendem Laubengang eingerichtet. Auch dieser Umgang erinnert an die typische Südtiroler Bauweise. Das Glaß Dach sammelt im Winter die Sonnenwärme und gibt sie an die Innenwände der Büros ab, während sich im Sommer die Dachfensterlamellen öffnen lassen und die natürliche Thermik für spürbaren Luftwechsel sorgt. Zudem wurde darauf Wert gelegt, überall wärmedämmend zu bauen. Entsprechend liegen die Wärmeverluste im Winter weit unter den gesetzlich zulässigen Normen, die sonst übliche energieabsorbierende Klimaanlage für die heißen Monate konnte eingespart werden.

Auch das Heizungssystem ist auf niedrigen Energieverbrauch angelegt: In den Büroräumen wird mit Niedrigtemperaturdeckenstrahlgeräten geheizt. Die Strahlungswärme der Metallkörper, die dezent und trotzdem sichtbar unter der Zimmerdecke angebracht sind, ermöglicht eine 3° bis 5° C tiefere Raum temperatur.
Nōtige Solarmodule zur Energiegewinnung wurden auf das nach Süden ausgerichtete Sheddach verbannt, wo sie gleichzeitig optimal zur Sonne hin ausgerichtet sind. Dem Bauherrn Alois Lageder, der auch önologisch zu den innovativsten Weingutsbesitzern Südtirols zählt, kam es besonders darauf an, Natur und Technik zu verbinden. Die Architektur greift das im Zentrum der neuen Kellerei, der Kelterstation, auf. Das Bauwerk ermöglicht ein neues Prinzip: Die Trauben, die über die Rampe ganz nach oben geliefert werden, erreichen im freien Fall über 14 Meter in einem sogenannten Kelterturm im Inneren des Gebäudes Zisternen und Pressen, ohne daß Schalen und Stengel beschädigt werden. Unerwünschte Tanninausscheidungen, die die Aromastoffe beeinträchtigen, werden damit vermieden. Daß der Gärungsprozeß und die Kühlung, die übrigens computergesteuert abläuft, mit Unterstützung von Rest- und Erdwärme erfolgen, ist in der Kellerei beinahe schon genauso selbstverständlich wie die Weinlager, aus deren Klimaanlagen 70 Prozent Abluftwärme und Kälte zurückgewonnen werden. Und dann gibt es den gewachsenen Fels, der mit seiner konstanten Temperatur den Raum gleichbleibend klimatisiert. Der ist aber nur tief im Bauwerk selber sichtbar.

Bauherr
Alois Lageder, Margreid Architekten:

Abram & Schnabl & Unterhauser, Bozen Zeno Abram, Heiner Schnabl,
Elmar Unterhauser und Ulrike Mühlberger Örtliche Bauleitung: R. Bazzanella

Statik: Georg Kauer

Kellertechnik: G. Michelin

Fertigstellung: 1996

Standort: Ansitz Löwengang, Margreid, Südtirol, Italien

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